Oleksii Yatsiuk and the "Prostir" Choir © Slava Kladiiov
Oleksii Yatsiuk and the "Prostir" Choir © Slava Kladiiov

"Prostir", the choir from the eponymous Ukrainian cultural centre in Lucerne will be performing twice at Lucerne Festival Forward 2024: At the opening concert on 15 November and at the final concert of the Festival on 17 November. We met with the choir's director and conductor Oleksii Yatsiuk in Lucerne's Peterskapelle to learn more about his ensemble and the pieces they will be performing.

[German] Lyrics and comments by Oleksii Yatsiuk on the three songs of the program "Dona nobis pacem"

  • "Shchedryk"

    Mykola Leontowytsch (1877–1921)
    Schtschedryk

    «Schtschedriwky» sind rituelle ukrainische Volkslieder. Sie werden an Silvester und an «Schtschedryj Wetschir» aufgeführt, dem «reichen bzw. grosszügigen Abend», mit dem man am 14. Januar den ersten Tag des neuen Jahres nach dem alten julianischen Kalender feiert. Wie Weihnachtslieder verherrlichen Schtschedriwky den Hausherrn und seine Familie.

    Schtschedryk ist ein zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenes Chorstück des ukrainischen Komponisten Mykola Leontowytsch. Weltbekannt wurde es, als es der Chor von Oleksandr Koshyts 1919 bei einer Tournee durch Europa und 1922 auch in den USA aufführte. Peter J. Wilhousky, ein amerikanischer Komponist ukrainischer Abstammung, verfasste einen englischen Text und veröffentlichte diese Version 1936: Als Carol of the Bells wurde Schtschedryk zu einem der beliebtesten Weihnachtslieder der Welt.

    Schtschedryk, Schtschedryk
    Schtschedriwotschka,
    Eine Schwalbe flog herbei,
    Fing an zu zwitschern
    Und den Gastgeber zu rufen:
    Komm heraus, komm heraus, Herr des Hauses,
    Sieh in den Stall,
    Die Schafe haben gelammt,
    Lämmer wurden geboren.
    Du hast guten Besitz,
    Du wirst viel Geld haben,
    Und wenn kein Geld, dann Spreu.
    Deine Frau hat dunkle Augenbrauen [= ist sehr hübsch].
    Schtschedryk, Schtschedryk,
    Schtschedriwotschka,
    Eine Schwalbe flog herbei.

  • "Cherry Garden"

    Jewhen Stankowytsch (*1942)
    Kirschengärtlein

    Dieses Chorstück von Jewhen Stankowytsch ist eine musikalische Interpretation des berühmten gleichnamigen Gedichts von Taras Schewtschenko, dem bedeutendsten ukrainischen Dichter und Maler des 19. Jahrhunderts, bekannt als «Vater der ukrainischen Literatur». Seine Gedichte und Gemälde sind tief in der ukrainischen Kultur verwurzelt und zeigen das Leben, die Natur und die Freiheit des ukrainischen Volks. Die Melodie fängt die Ruhe und Schönheit eines Abends in einem ukrainischen Dorf ein, während der Text in poetischen Bildern die Natur und das einfache ländliche Leben beschreibt. Stankowytschs Musik verstärkt diese Atmosphäre und lässt uns die friedliche Stille und den harmonischen Rhythmus des Dorflebens spüren. Seine Vertonung entführt uns in eine Welt, in der die Nachtigall singt und das Licht des Abendsterns über einem ruhigen Kirschgarten erstrahlt.

    Im Kirschengärtlein vor der Hütte
    Man tausend Hummeln summen hört.
    Die Pflüger wenden Pflug und Pferd
    Die Mädchen beschleunigen ihre Schritte,
    Die Mütter warten vor dem Herd.
    Gedeckt der Tisch steht vor der Hütte,
    Das Töchterlein die Schlüsseln bringt.
    Der güld’ne Abendstern erblinkt:
    Der Mutter abendliche Bitte
    Im Sang der Nachtigall verklingt.
    Die Kindlein lagern vor der Hütte,
    Die Mutter legt sich auch dazu:
    Bald schlafen Mensch und Feld und Kuh,
    Nur Nachtigall und Mädchenschritte
    Verscheuchen noch des Dorfes Ruh.
    (deutsche Übersetzung von Hans Koch, aus: Die ukrainische Lyrik 1840–1940, Wiesbaden 1955)

  • "A Duckling Swims in the Tisza"

    Volkslied
    Ach, eine Ente treibt die Theiss entlang

    Dieses Lied, ein Volkslied der Lemken, ist zu einem Symbol für Trauer und Abschied geworden. Es erzählt von Verlust, Abschied und Sehnsucht nach Familie und Freund*innen und soll in einem traurigen, melancholischen Stil vorgetragen werden, der die tiefen Gefühle der Trennung widerspiegelt.

    Grosse Popularität erlangte das Lied 2013/14 während des Euromaidan, der «Revolution der Würde», als es beim Abschied der «Himmlischen Hundert» gespielt wurde, der bei den Euromaidan-Protesten getöteten Zivilist*innen und Polizist*innen. Ach, eine Ente treibt die Theiss entlang ist zu einer Art Requiem für diejenigen geworden, die ihr Leben für die Freiheit und Unabhängigkeit unseres Landes gegeben haben.

    Die Melodie des Liedes ist einfach und doch innig, seine Worte klingen in den Herzen derer nach, die einen Verlust erlitten haben und sich an die Verstorbenen erinnern wollen. Das Lied bleibt ein starkes Symbol für die nationale Identität und die tiefe Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart des ukrainischen Volks.

    Ach, eine Ente treibt die Theiss entlang,
    Mutter, schilt mich nicht zu lang.
    Ach, du schiltst mich in böser Stunde,
    Selbst weiss ich nicht, wo ich enden werde.
    Ach, werde ich in fremdem Land vergehen,
    Wer wird mir das Grab bereiten?
    Ach, es werden fremde Leute sein,
    Wirst du nicht trauern, Mutter, mein?
    Ach, wie könnte ich nicht trauern, mein Sohn,
    Du lagst einst auf meinem Herzen.
    Ach, eine Ente treibt die Theiss entlang,
    Eine Ente treibt die Theiss entlang.
    [Der Fluss Theiss (ukrainisch: Тиса) fliesst durch die Region Transkarpatien.]

Hear the "Prostir" Choir at Lucerne Festival Forward